Der erste Atemzug am Morgen

Es ist sechs Uhr morgens in Berlin-Mitte. Die Stadt erwacht langsam, während die ersten Pendler sich auf den Weg zur Arbeit machen. Mit jedem Atemzug nehmen sie nicht nur die kühle Morgenluft auf, sondern auch einen unsichtbaren Cocktail aus Substanzen, die die Geschichte dieser Metropole erzählen – eine Geschichte von Fortschritt und Preis, von urbanem Leben und seinen verborgenen Schatten.
Etwa ein Drittel des Mikroplastiks in städtischen Gewässern stammt von Reifenabrieb, der durch Niederschlagswasser in die Flüsse gespült wird. Diese winzigen Partikel, zwischen einem Millionstel und einem Zehntel Millimeter klein, sind für das bloße Auge unsichtbar, doch ihre Präsenz ist allgegenwärtig. Sie schweben in der Luft, die wir atmen, sie fließen durch die Spree, sie versickern in den Boden unter unseren Füßen.
Was bedeutet es, in einer Stadt zu leben, deren Puls vom Verkehr bestimmt wird, deren Arterien verstopft sind mit mehr als nur Autos? In Berlin führt verschmutzte Luft nachweislich zu mehr Herzinfarkten – mit jedem Anstieg der Stickoxidkonzentration um zehn Mikrogramm pro Kubikmeter steigt die Herzinfarktrate um ein Prozent. Die unsichtbare Gefahr dringt tief in unsere Atemwege ein, kann zu chronischen Lungenentzündungen führen und das Herz belasten.
Das Wasser trägt Erinnerungen – von Pillen und Plastik
Die verborgene Chemie unseres Alltags
Wenn die Berliner Wasserbetriebe von ihrer täglichen Arbeit berichten, klingt es wie ein Kampf gegen Windmühlen. Im Wasserwerk Tegel wurden bereits Überschreitungen des Orientierungswerts für Gabapentin festgestellt – ein Wirkstoff aus Schmerzmitteln und Medikamenten gegen Epilepsie. Auch Valsartansäure, ein Abbauprodukt von Blutdrucksenkern, bereitet den Verantwortlichen Sorgen.
Es ist eine bittere Ironie: Die Medikamente, die uns heilen sollen, kehren über Umwege zu uns zurück. Erhebliche Anteile der Arzneien werden von Patienten wieder ausgeschieden und gelangen mit dem Abwasser in den Wasserkreislauf. Ein regelrechter Wirkstoff-Cocktail fließt durch die Kläranlagen – Röntgenkontrastmittel, Antibiotika, Schmerzmittel, Diabetes-Medikamente. Die Experten sind sich einig in ihrer Unsicherheit: Niemand kann genau sagen, was diese Mischung langfristig bewirkt.
Die Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel kämpft mit modernster Technik gegen diese unsichtbare Flut. In einer Versuchsanlage wird das Wasser mit Aktivkohle-Granulat versetzt, das für etwa 30 Minuten die unterschiedlichsten Spurenstoffe aufnimmt. Doch selbst diese aufwendige Reinigung ist nur ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde.
Mikroplastik – die neue Währung urbaner Verschmutzung
Die Spree, einst Lebensader der Stadt, ist heute ein Spiegel unserer Wegwerfgesellschaft. Schüler, die im Rahmen der EU-weiten Aktion "Plastic Pirates" Wasserproben nahmen, fischten binnen einer Stunde zahlreiche Mikroplastikpartikel aus dem Fluss. Diese Teilchen erzählen Geschichten: von abgeriebenen Autoreifen auf der Stadtautobahn, von Kunstfaser-Pullovern in Waschmaschinen, von achtlos weggeworfenen Plastikflaschen, die über Jahrhunderte zu immer kleineren Fragmenten zerfallen.
Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie erforscht am Müggelsee, was passiert, wenn Wasserflöhe Mikroplastik fressen – die Tiere werden lahm und träge. Eine beunruhigende Beobachtung, wenn man bedenkt, dass diese winzigen Krebstiere die Grundlage der aquatischen Nahrungskette bilden. Was mit den Wasserflöhen beginnt, endet auf unseren Tellern.
Die Luft, die wir teilen – zwischen Notwendigkeit und Gefahr

Wenn jeder Atemzug zählt
Die Hauptstadt atmet schwer. Für Asthma- und COPD-Patienten ist das Risiko, an Tagen mit erhöhter Stickstoffdioxid-Belastung ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, deutlich erhöht. Besonders betroffen sind die Schwächsten unserer Gesellschaft: Kinder, deren Lungen noch in der Entwicklung sind, ältere Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, und all jene, die bereits mit Atemwegserkrankungen kämpfen.
Die WHO hat ihre Grenzwertempfehlungen verschärft, doch die Realität in Berlin ist ernüchternd. In den EU-Staaten mussten 2021 mehr als 90 Prozent der Stadtbevölkerung mit Schadstoffwerten leben, die über den WHO-Empfehlungen lagen. Die Luft, die wir als selbstverständlich hinnehmen, ist durchzogen von Partikeln, die tief in unsere Lungen eindringen, sich in unseren Organen ablagern, unsere Gesundheit untergraben.
Der Preis der Mobilität

Stickstoffdioxid entsteht überwiegend bei Verbrennungsprozessen mit hohen Temperaturen, und in Berlin sind die Verkehrsemissionen für 70 bis 80 Prozent der Belastung in innerstädtischen Wohngebieten verantwortlich Berlin. Jeder Dieselmotor, der morgens anspringt, jeder LKW, der Waren in die Stadt bringt, trägt zu dieser unsichtbaren Last bei.
Feinstaub der Kategorie PM2,5 – Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer – gilt als besonders tückisch. Diese winzigen Partikel können tief in die Atemwege eindringen und länger dort verweilen, sie führen zu Herz- und Kreislauferkrankungen, und der enthaltene Ruß gilt als stark krebserregend Berlin. Manche dieser Partikel sind so klein, dass sie über den Riechnerv direkt ins Gehirn gelangen können.
Die Stadt hat reagiert, mit Umweltzonen, Radwegen, ausgebautem Nahverkehr. Doch der Fortschritt ist zäh, und die Zeit drängt. Jeder Tag, an dem die Grenzwerte überschritten werden, ist ein Tag zu viel für die Gesundheit der Berliner.
Zwischen Verzweiflung und Hoffnung – Wege aus der Krise
Die technische Revolution im Untergrund
Die Berliner Wasserbetriebe planen, bis 2027 alle Klärwerke mit einer vierten Reinigungsstufe auszustatten – eine Investition von 1,5 Milliarden Euro Berliner Wasserbetriebe. Diese neue Technologie, oft als Ozonung bezeichnet, soll Arzneimittelrückstände und andere Spurenstoffe deutlich reduzieren. In Schönerlinde wird bereits gebaut, in der OWA Tegel läuft seit 2016 eine der größten Pulver-Aktivkohle-Anlagen Deutschlands.
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen die stetig wachsende Medikamentenlast einer alternden Gesellschaft. Die vierte Reinigungsstufe kann Mikroverunreinigungen zu großen Teilen aus Abwässern entfernen Tab-beim-bundestag, doch sie ist nur ein Teil der Lösung.
Die Verantwortung des Einzelnen

Die Berliner Wasserbetriebe appellieren an jeden Einzelnen: Auch beim Waschen von Sport- und Funktionskleidung aus Kunstfasern lösen sich kleinste Teilchen Berliner Wasserbetriebe. Jede Entscheidung – vom Kauf eines Baumwollpullovers statt eines Polyester-Shirts bis zur Wahl des Verkehrsmittels – hat Konsequenzen für die Qualität unseres Wassers und unserer Luft.
Medikamente gehören nicht in die Toilette, sondern in den Hausmüll oder zu Schadstoffsammelstellen. Kosmetika ohne Mikroplastik sind keine Modeerscheinung, sondern eine Notwendigkeit. Und jeder Kilometer, der nicht mit dem Auto zurückgelegt wird, ist ein kleiner Sieg für die Luftqualität.
Ein Blick in die Zukunft – und eine mögliche Hilfe für zu Hause
Berlin steht an einem Wendepunkt. Die Stadt, die sich rühmt, grün und lebenswert zu sein, muss sich ihrer unsichtbaren Belastungen stellen. Die Investitionen in saubere Technologien sind enorm, die gesellschaftlichen Herausforderungen komplex. Doch es gibt Hoffnung – in der Wissenschaft, die neue Lösungen entwickelt, in der Politik, die strengere Standards setzt, und in jedem Einzelnen, der bewusste Entscheidungen trifft.
Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass selbst geringe Mengen Feinstaub gesundheitsschädlich sind – es gibt keine unbedenkliche Feinstaubbelastung Berlin. Diese Erkenntnis sollte uns nicht lähmen, sondern zum Handeln bewegen. Denn die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, sie verbinden uns alle. In einer Stadt wie Berlin, wo Millionen Menschen auf engem Raum zusammenleben, ist die Qualität unserer gemeinsamen Ressourcen keine abstrakte Größe, sondern eine Frage von Leben und Gesundheit.
Die Spuren der Weltstadt sind tief eingegraben in Luft und Wasser. Doch vielleicht liegt gerade in dieser Erkenntnis die Chance für einen Neuanfang – für eine Stadt, die nicht nur groß ist, sondern auch gesund. Eine Stadt, in der der erste Atemzug am Morgen nicht mehr nach Abgas schmeckt, sondern nach Möglichkeiten.
Für all jene, die sich in ihrer Wohnung eine kleine Oase sauberer Luft schaffen möchten, könnte eine Mini-Saline – ein kompaktes Gradierwerk für zu Hause – eine ergänzende Unterstützung bieten. Diese traditionelle Methode der Luftreinigung, die das Prinzip natürlicher Salzverdunstung nutzt, kann helfen, die Raumluft zu befeuchten und mit salzigen Aerosolen anzureichern, wie man es von Kurorten kennt. Es ist kein Allheilmittel gegen die großen Herausforderungen der Luftverschmutzung, aber vielleicht ein kleiner Schritt zu einem bewussteren Umgang mit der Luft, die wir atmen.